Corso centrale di funzionari (Kurs des Schweizerischen Bau- und Holzarbeiterverbandes für die die italienischen Gastarbeiter repräsentierenden Sektionsfunktionäre) in Gersau am 1. März 1967

  • ita
  • 1967-03-01
  • Dauer: 02:49:01

Beschreibung

Die Aufnahme besteht aus den drei Teilen: Guido Calgari hält ein Referat über die Situation ausländischer Arbeitnehmer in der Schweiz. Dann lanciert er eine Gruppendiskussion zu fünf Fragen: 1. Kann und soll Schweiz am EWR (MEC) partizipieren? 2. Kritik an den Schweizer Behörden und der Schweizer Bevölkerung aus Sicht der ausländischen Arbeitskräfte? 3. Haltung zu einer Änderung der Arbeitspolitik? In welchem Sinn? 4. Was schlagt ihr vor um die gewerkschaftliche Propaganda unter den Ausländern zu verstärken? 5. Haltung zu beruflichen Weiterbildungskursen? Zu diesen Fragen nehmen verschiedene Teilnehmer und am Schluss die Gewerkschaftsleitung Stellung. 00:00:03 Sprecher eröffnet Kurs und leitet Vortrag von Prof. Guido Calgari (Lehrstuhl für italienische Literatur an der ETH Zürich) über die ausländischen (insbes. italienischen) Arbeitskräfte in der Schweiz ein; Bemerkungen zur Person Calgari
00:03:57 Ankündigung des Ablaufs des Nachmittagsprogramms: Vortrag Calgari, Diskussion in Gruppen, Diskussion im Plenum, Schlussfolgerungen durch Referent
00:04:59 Applaus
00:05:06 bis 01:27:47 Vortrag Guido Galgari: Ausländische Arbeitskräfte in der Schweiz
00:05:06 Calgari beginnt Vortrag
00:05:54 Referent bezieht sich auf Canonica als Vorsitzenden (il nostro presidente) und auf Pescia als Sekretär (secretario)
00:07:15 Referent spricht als ehemaliges Mitglied der vom Nationalrat eingesetzten Studienkommission, die den Bericht „Das Problem der ausländischen Arbeitskräfte“ verfasste (1964 publiziert)
00:08:15 Referent spricht als Gründer und Vorsitzender von Carcos (Cargos?): die Organisation bezweckt die Förderung der Integration (nicht Assimilation) der ausländischen Arbeitskräfte (centro di assistenza a recreativa e culturale); Gründung vor fünf Jahren mit Unterstützung der Migros; Beispiele ihrer Tätigkeit: Visitationen auf Baustellen, Einrichtung von mehrsprachigen Bibliotheken und Treffs, Kursangebot an Migros-Klub-Schule u.a.m.
00:15:58 Integrationsprobleme in italienischen und französischen Schweiz geringer als in Deutschschweiz
00:17:50 Publikumsbezug: Folgen der Fremdenfeindlichkeit (xenofobia) „kennt ihr besser als ich“
00:17:58 Einstellung der Behörden zu Arbeitsimmigration ist ängstlich und fantasielos; Parallele in Frage der europäischen Integration
00:21:32 Arbeitsimmigration in die Schweiz hinsichtlich Demographie, Wirtschaft und Kultur (situazione spirituale) im historischen Vergleich zwischen 1960 und 1910: Wirtschaftliche Prosperität der führenden Industrienation Schweiz; Überbevölkerung in Italien; Verteilung der ausländischen Arbeitskräfte auf Arbeitsmarkt (Unterschichtung); überdurchschnittliche Geburtenhäufigkeit; Zufluss ausländischer Kapitalien; Verweis auf Debatte um „Überfremdung“ (sic); Bodenverkauf an ausländische Staatbürger
00:42:26 Nationaler Zusammenhalt: Zusammenhalt der Schweiz in kultureller Hinsicht (spiritualmente) ist aufgrund Viersprachigkeit und Föderalismus schwach; Spaltung der Schweiz im Ersten Weltkrieg aufgrund des Einflusses ausländischer Presse und Intellektueller; heute starker amerikanischer Einfluss auf Kultur und Öffentlichkeit (americanisazione); Entnationalisierung (snazionalisazione) ist nicht als Zerstörung, sondern als Kulturwandel (alterisazione) zu begreifen
00:54:47 Schwächung der schweizerischen Eigenart durch Immigration ist möglich, insbes. hinsichtlich der im Vergleich zu Italien besonders engen Verbindung zwischen Bürger und Staat und hinsichtlich des Föderalismus und dem hohen Stellenwert der Gemeinde
00:59:30 Fähigkeit und Bereitschaft zur Assimilation bei Norditalienern stärker als bei Süditalienern; generell grössere Anfälligkeit auf extremistische (estremista) politische Slogans; Absicht zur Rückwanderung und Tendenz zur Selbstisolierung sind verbreitet
01:05:10 Haltung der schweizerischen Bevölkerungen gegenüber Immigranten: Unterschiede v.a. sprachregional; Fremdenfeindlichkeit in Industriezentren Zürich und Winterthur besonders ausgeprägt
01:08:05 Mangelhafte Integration der Italiener in Gewerkschaften: fehlende Solidarität zwischen schweizerischen und italienischen Arbeiter; falsche Vorstellungen der Italienern von der Funktion der Gewerkschaften in Schweiz
01:10:48 Sprachliche Integrationsprobleme in Schule: gemäss Konkordat von 1962 gilt Territorialitätsprinzip (offizielle kantonale Sprache ist Unterrichtssprache für alle); Integrationskurse für fremdsprachige Kinder; private italienische Schulen
01:13:22 Problem der Aufenthaltsdauer: Gegenwärtiger Bedeutungsverlust des Rotationsprinzips in Immigrationslenkung, Aufenthaltsdauer nimmt zu
01:15:14 Problem der Einbürgerungen (naturalisazione): fehlende Kapazität zu Masseneinbürgerungen u.a. aufgrund konservativer Mentalität und föderaler Struktur
01:16:22 Zwei Massnahmenbündel der Behörden: (1) wirtschaftspolitisch: Förderung der Rationalisierung der industriellen Produktion; (2) immigrationspolitisch: gezielte Auswahl von Rekrutierungsländer, quantitative Plafonierung der Zuwanderung, Beschränkung des Wechsels von Arbeitsstelle und Beruf u.a.m.
01:20:02 Kritik dieser Arbeitspolitik: Vorwurf des Konservativismus und Helvetismus; mangelhafte Einsicht in die wirtschaftlichen Entwicklungstrends im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft insbes. hinsichtlich der Arbeitnehmerfreizügigkeit im Rahmen des Europäischen Wirtschaftsraums EWR (Mercato Europeo Comune, MEC); ausländische Arbeitskräfte sind als unerlässliche Bestandteile der schweizerischen Wirtschaft zu betrachten
01:23:38 Publikumsbezug: Calgari beendet Ausführungen und diktiert den Zuhörern Fragen für die Gruppendiskussion: (1) Kann und soll Schweiz am EWR (MEC) partizipieren? (2) Kritik an den Schweizer Behörden und der Schweizer Bevölkerung aus Sicht der ausländischen Arbeitskräfte? (3) Haltung zu einer Änderung der Arbeitspolitik? In welchem Sinn? (4) Was schlagt ihr vor um die gewerkschaftliche Propaganda unter den Ausländern zu verstärken? (Neuer Sprecher stellt Frage (4) zurück auf anderen Zeitpunkt.) (5) Haltung zu beruflichen Weiterbildungskursen?
01:27:41 Calgari schliesst, Applaus
01:27:48 bis 02:17:11 Präsentation der Ergebnisse der Gruppendiskussion
01:27:48 Neuer Sprecher übernimmt, dankt Calgari
01:29:04 Schnitt
01:29:05 Sprecher leitet die Präsentation der Ergebnisse der Gruppendiskussion ein; übergibt dem Sprecher der Gruppe 1, Angelo Moretti, das Wort
01:29:55 Moretti übernimmt
01:30:20 Zu Frage (1): Politische und wirtschaftliche Voraussetzungen zur Partizipation am EWR sind aufgrund Föderalismus und ökonomischer Struktur nicht gegeben
01:34:20 Zu Frage (2): Kritik an Schlechterstellung der italienischen Arbeiter: eingeschränkte Freizügigkeit (behinderter Familiennachzug, Verbot Stellenwechsel); zu hohe Besteuerung angesichts beschränkter rechtlicher Teilhabe; Diskriminierung in Sozialversicherungen
01:38:15 Zu Frage (5): Berufliche Weiterbildungskurse für italienische Arbeiter wäre Ausdruck echter Solidarität; grössere berufliche Chancen und mehr Unabhängigkeit vom Arbeitgeber
01:39:42 Moretti schliesst, neuer Sprecher fragt bei Gruppe 1 um Ergänzungen nach
01:39:53 Ergänzendes Votum zu Frage (3): Arbeitspolitik ist endlich an Assimilation zu orientieren, insbesondere gegenüber den assimilationsfähigen Norditalienern
01:40:58 Neuer Sprecher übernimmt; fordert kurze Stellungnahmen; übergibt das Wort an Sprecher der Gruppe 2, Somaruga
01:42:54: Somaruga übernimmt; schlechte Tonqualität
01:43:37 Zu Punkt (1)
01:44:55 Zu Punkt (2)
01:47:43 Zu Punkt (3)
01:48:50 Zu Punkt (5)
01:51:08 Neuer Sprecher übergibt das Wort an Sprecher der Gruppe 3, Mosolo
01:51:22 Mosolo übernimmt; schlechte Tonqualität
01:51:36 Zu Punkt (1)
01:52:38 Zu Punkt (2)
01:53:48 Zu Punkt (3)
01:57:44 Zu Punkt (5)
01:59:10 Neuer Sprecher übernimmt; repliziert auf Kritik von Mosolo
01:59:55 Publikumsbezug: Sprecher spricht Mosolo als Sektionsvertreter an
02:00:44 Sprecher übergibt das Wort an Sprecher der Gruppe 4, Samori?
02:00:45 Samori übernimmt, schlechte Tonqualität
02:01:09 Zu Punkt (1)
02:01:38 Zu Punkt (2)
02:02:40 Zu Punkt (3)
02:02:58 Zu Punkt (5)
02:03:15 Neuer Sprecher übernimmt; übergibt das Wort an Sprecher der Gruppe 5, Galfetti
02:03:25 Galfetti übernimmt, schlechte Tonqualität
02:03:58 Zu Punkt (1)
02:04:18 Schnitt
02:04:25 Neuer Sprecher übergibt das Wort an Sprecher der Gruppe 6, Giacomini
02:04:34 Giacomini übernimmt, schlechte Tonqualität
02:05:25 Zu Punkt (1)
02:09:47 Zu Punkt (2)
02:12:35 Zu Punkt (3)
02:14:12 Zu Punkt (5)
02:16:30 Neuer Sprecher; ergänzendes Votum aus Gruppe 6
02:17:12 bis 02:29:56 Abschliessende Stellungnahme der Gewerkschaftsleitung
02:17:12 Vertreter der Gewerkschaftsleitung übernimmt
02:17:13 Einschätzung der Diskussionsteilnahme: von 8 Stellungnahmen kamen 3 von direkten Vertretern der italienischen Arbeitern (representanti diretti), 5 von Stimmführern (portavoce) von italienischen Arbeitern (d.h. Schweizer Bürger oder eingebürgerte Italiener); anwesend sind 2 Drittel italienische Bürger, 1 Drittel Schweizer Bürger; Sprecher stellt die Frage in den Raum, ob diese Proportionen nicht auf mangelhafte Beteiligung der Italiener verweise
02:19:25 bis 02:28:03 Offizielle Position der Gewerkschaft zu gestellten Fragen
02:19:25 Zu Punkt (1): Europäische Integration wird zwangsläufig kommen, daher ist aktive Teilnahme einzig richtige Option
02:20:50 Zu Punkt (2): Staatsfeindliche Einstellung der italienischen Arbeitern gegenüber Schweizer Behörden ist angesichts der vielfachen Rechtseinschränkungen verständlich; Verhältnis zwischen Italienern und Schweizer Bevölkerung ist geprägt von Missverständnissen, Abhilfe durch Information
02:23:45 Zu Punkt (3): Forderung nach mehr Rechtsfreiheiten für ausländische Arbeiter; mangelnde Anpassungsbereitschaft aufgrund Rechtsbeschränkungen
02:25:28 Zu Punkt (5): Gewerkschaftliche Weiterbildungsmassnahmen dürfen staatliche Ausbildungsaufgabe nicht substituieren; übermässige Beanspruchung durch ungelernte Arbeitskräften ist zu verhindern
02:28:04 Sprecher schliesst, dankt für aktive Teilnahme an Diskussion
02:29:57 bis 02:49:01 Abschliessendes Votum Calgari
02:29:57 Calgari übernimmt
02:29:28 Stellungnahme zu Punkt (1): Teilnahme an europäischer Integration setzt voraus, dass Schweiz traditionalistische Grundeinstellung ablegt und rechtliche Anpassungen vornimmt (Direkte Demokratie, Neutralität)
02:34:34 Verweis auf Meinungsdifferenzen unter den Gruppensprecher: Samori sieht Gefahr der Invasion (invasione) ausländischer Arbeitskräfte infolge Beitritt zum EWR; Moretti fordert freien Personenverkehr; Galfetti befürwortet die Kontingentierungsmassnahmen des Bundesrats
02:36:50 Bestätigung Votum Mosolo: Rechtseinschränkungen für Gastarbeiter bedeutet Mangel an Menschlichkeit
02:38:06 Fremdenfeindliche Einstellung der Schweizer Bevölkerung ist ein Erziehungsproblem (educazione sociale); auch Gewerkschaften sind verantwortlich
02:39:45 Migrationspolitische Fehlentscheidung nach 1945: durch Rechtsbeschränkungen werden Norditalienern abgeschreckt, stattdessen immigrieren die weniger qualifizierten Süditaliener, Spanier und Grieche
02:41:34 Stellungnahme zu Punkt (5): Aufgrund ihrer materiell und moralisch privilegierten Stellung liegt es in der Verantwortung der Schweiz für die Ausbildung der ausländischen Arbeitskräfte (insbesondere der Süditaliener) zu sorgen
02:48:47 Calgari schliesst
02:49:01 Ende
Dieses Dokument wurde mit der Unterstützung von Memoriav erhalten.
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