Sichtbarkeit dank audiovisueller Quellen 

Tiere wurden in der amtlichen Statistik oder in Karten nur selten als Arbeitstiere aufgeführt. Trotzdem waren sie zahlenmässig relevant. Ihre Bedeutung kann mit Hilfe anderer Quellen rekonstruiert werden. Dazu gehören, wie in dieser Vitrine deutlich wird, Foto- und Filmquellen.

Abbildungen arbeitender Tiere gibt es auch über das Portal Arbeitstiere Online – Bildquellen zur Tierarbeit des Archivs für Agrargeschichte (AfA) zu entdecken. 

Karte der Schweiz 1906 zur Pferdehaltung

Eidgenössische Viehzählung 1906. Die Pferdehaltung in ihrer Beziehung zur Bevölkerung. 1906 werden im gesamtschweizerischen Durchschnitt 39 Pferde pro 1000 Einwohnerinnen und Einwohner gehalten.

Akteure der Modernisierung

Arbeitstiere werden oft als Phänomen einer vorindustriellen Zeit wahrgenommen. Die Geschichtsschreibung geht in der Regel davon aus, dass sie im Zuge der Industrialisierung obsolet geworden seien. Doch ein genauer Blick auf die Entwicklung der städtischen Verkehrssysteme und die Mechanisierung der landwirtschaftlichen Produktion zeigt, dass Arbeitstiere bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts eine wichtige Rolle spielten. Arbeitende Pferde, Hunde, Rinder sowie Esel und Maultiere waren Akteure der Modernisierung und nicht Phänomene einer vorindustriellen Zeit.

 

 

 

Pferde gelten als die vielseitigsten Arbeitstiere. Sie wurden zu Reit-, Saum- und Zugarbeiten eingesetzt. Die mannigfachen Nutzungen und Einsatzkontexte erforderten Eigenschaften und Kenntnisse, die den Tieren anerzogen wurden. Während in der Landwirtschaft neben Pferden auch Rinder und Hunde zur Arbeit herangezogen wurden, basierten die hauptgewerblichen Strassentransportunternehmen fast ausschliesslich auf Pferdearbeit. Bis zum Zweiten Weltkrieg nahm die Zahl der Pferde in der Schweiz zu.

 

 

 

Hunde wurden zum Ziehen von Lasten, zum Hüten und Treiben anderer Tiere oder zur Bewachung von Gegenständen und Gebäude eingesetzt. In städtischen Milieus, wo Hunde zum Transport von Lebensmitteln und anderen Waren besonders wichtig waren, gab es seit dem 19. Jahrhundert Bestrebungen, die Hundearbeit zu regeln oder ganz zu verbieten. Dabei überlagerten sich hygienisch, tierschützerisch und klassenspezifisch motivierte Argumente.

 

 

 

Rinder (Kühe, Ochsen, Stiere)
Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts wurden in der Landwirtschaft neben Pferden und Ochsen auch Stiere und vor allem Kühe zur Arbeit eingesetzt. Diese produzierten nicht nur Milch und Fleisch, sondern leisteten auch einen grossen Teil der Feld- und Transportarbeiten. Als multifunktionale Wesen wurden sie in den Statistiken nicht als Arbeitstiere erfasst. Ihre numerische Bedeutung kann jedoch mit Hilfe anderer Quellen rekonstruiert werden.

 

Carl Jost Reportage Bucheggberg, Aetingen (SVZ): Fuhrwerk mit Kühen 1938 aus: Staatsarchiv des Kantons Bern, Fotobestand Carl Jost (Teilbestand), FN Jost N 4250

https://memobase.ch/de/object/abe-001-FN_Jost_N_4250

 

 

 

Fuhrwerk mit Kühen

 

 

 

Esel und Maultiere sind leistungsfähige, besonders trittsichere, krankheitsresistente, genügsame und im Falle der Esel auch in der Anschaffung billige Arbeitstiere. Esel sind eine eigenständige Art der Equiden, während die Maultiere als unfruchtbare Abkömmlinge aus der Paarung von Pferdestuten und Eselhengsten hervorgehen. Maulesel, Hybriden der Paarung von Pferdehengsten und Eselstuten, wurden in der Schweiz nur sehr selten gezüchtet und gehalten. Sowohl Esel als auch Maultiere dienten als Reit-, Saum- und Zugtiere. Ihr Vorkommen konzentrierte sich überwiegend auf die Kantone Wallis und Tessin.

 

 

Arbeitstiere in der Stadt

Viele arbeitende Tiere lebten in Städten und an den Rändern von Städten. Bezogen auf die Fläche wiesen die Städte sogar lange die grösste Dichte an Pferden auf. Auch zum Ziehen eingesetzte Hunde waren in und um die Städte in grosser Zahl anzutreffen. Die städtischen Verhältnisse erforderten von den arbeitenden Tieren ganz besondere Eigenschaften und Fähigkeiten, die sich von denjenigen auf dem Land signifikant unterschieden. So mussten die Arbeitstiere nicht nur an die Hektik und den Lärm in den Städten gewöhnt werden, sondern auch an die versiegelten Böden.

Lebhafte Strasse, Markt

Moeglé, Jean Thun -- Alltagsleben; Transport, Verkehr 1891 aus: Burgerbibliothek Bern, Fotosammlung Familie Krebser, Historische Sammlung Krebser 10/22

https://memobase.ch/de/object/bbb-001-216059

Fuhrwerk mit Rindern in der Via Pessina, Lugano.

 

Die in der Memobase recherchierten Fotografien aus Lugano, Bern und Thun zeigen beispielhaft die vielfältige Arbeit von Tieren in der Stadt im 20. Jahrhundert.

[Urheber/in unbekannt] "Lugano. Via Pessina" 1910 aus: Archivio di Stato del Cantone Ticino, Fototeca dell’Archivio di Stato del Cantone Ticino, Fototeca/50.6

https://memobase.ch/de/object/ati-003-25973

 

1971 beleuchtet ein Beitrag der Sendung Antenne von SRF die Situation von Pferdefuhrwerken in den von Autos dominierten Städten (ab 9'25'').

Schweizer Radio und Fernsehn (SRF) Pferde-Fuhrwerke in der Stadt Antenne, Antenne vom 10.11.1971 DRS 1971-11-10 aus: Schweizer Radio und Fernsehen, Fernsehbestand Antenne, e7c5715a-0111-4e75-a57c-a7423852f497

https://memobase.ch/de/object/srf-029-80168a13-f044-4df8-b9db-196e457bb95e_04

 

Arbeitstiere in der Landwirtschaft

Landwirtschaft und Tierarbeit waren bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts vielfach miteinander verwoben. Im Unterschied zur Industrie, die seit dem frühen 19. Jahrhundert auf dem Verbrauch von Kohle und Erdöl sowie der Nutzung von Wasserkraft beruht, erfolgte die Mechanisierung der flächenabhängigen Landwirtschaft bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts in erster Linie basierend auf dem Einsatz von Arbeit leistenden Tieren (Pferde, Maultiere, Esel, Kühe, Stiere, Ochsen und Hunde). Aber auch die im Transportwesen zum Ziehen und Tragen von Lasten benötigten Tiere wurden in der Regel in der Landwirtschaft gehalten und reproduziert. Die Haltung und Nutzung von Arbeitstieren verband Stadt und Landschaft in vielfältiger Weise miteinander.

Heuernte, Fuhrwerk mit Rind

Lienhard & Salzborn St. Moritz, Staz, Alp, Heuernte 1889/1919 aus: Staatsarchiv Graubünden, Fotobestand Lienhard & Salzborn, FN IV 18/24 SM 1

https://memobase.ch/de/object/sag-001-StAGR_FN-IV-18x24-SM-1

BTO, Stadel (Winterthur) Acker- und Futterbau am Strickhof in den 40er Jahren 1998 aus: Archiv für Agrargeschichte (AfA), Filmbestand Archiv für Agrargeschichte (AfA), 0235

https://memobase.ch/de/object/afa-001-0235

 

[Urheber/in unbekannt] Rapsernte 1945/1946 aus: Archiv für Agrargeschichte (AfA), Filmbestand Archiv für Agrargeschichte (AfA), 0257

https://memobase.ch/de/object/afa-001-0257

 

  Ernährung und Erholung

Tiere hatten nicht nur ihre je besonderen Eigenschaften, wie sie arbeiteten, sondern auch wie sie sich ernährten und wie sie sich in Pausen erholten. Equiden fressen und ruhen stehend, während die Rinder sich zum Wiederkäuen gerne niederlegen. Entsprechend länger dauerten die Pausen bei den Rindern. Arbeitspausen zur Nahrungsaufnahme und der kurzzeitigen Erholung waren besondere Momente der mensch-tierlichen Vertrautheit und der Routine der Zusammenarbeit.

Kuratle [Pferde bei der Tränke am Dorfbrunnen, Guiden 5 Courrendlin] Kuratle 1914/1918 aus: Memoriav, Fotobestand aus der Memobase Vorgängerversion, R240711160

https://memobase.ch/de/object/mav-002-RERO_06_0181-20760

 

Pferde bei der Tränke am Dorfbrunnen Courrendlin

 

  Filmbestand des Archivs für Agrargeschichte (AfA)

Das Archiv für Agrargeschichte (AfA) ist ein unabhängiges, in der Archivierung, wissenschaftlichen Forschung und der Informations- und Wissensvermittlung tätiges Institut. 

Der Filmbestand des AfA setzt sich aus Teilbeständen zusammen, die von unterschiedlichen Aktenbildnern stammen, und war Gegenstand eines von Memoriav unterstützen Erhaltungsprojekts. 139 Filme sind über Memobase recherchierbar: Zum Bestand.

Weitere Fotografien und Filme über Arbeitstiere sind via die Online-Portale des AfA zugänglich: https://histoirerurale.ch/
Filme aus dem Agrar- und Ernährungsbereich finden Sie auch via Online-Portal der European Rural History Film Association: https://ruralfilms.eu/filmdatabaseOnline

Neben Texten produziert das AfA auch Video Essays, um historische Erkenntnisse zu vermitteln:

 

 

Peter Moser, Andreas Wigger, Arbeitende Tiere, 2022, aus: Archiv für Agrargeschichte, Video Essay in Rural History Nr. 1/2022

https://ruralfilms.eu/video-essays/working-animals/

 

 

Impressum

 

Diese Vitrine wurde kuratiert von:

Archiv für Agrargeschichte, Memoriav

 

Konzept:

Archiv für Agrargeschichte, Memoriav

 

Texte:

Archiv für Agrargeschichte

 

Redaktion:

Datum:

Pia Imbach, Hans-Ulrich Schiedt, Andreas Wigger

Juni 2022

 

Quellnachweise

 

Filmquellen / Videos:

Filmbestand Archiv für Agrargeschichte (AfA)
Filmbestand Schweizer Filmwochenschau (1940-1975) /
Schweizerisches Bundesarchiv, Cinémathèque suisse
Filmbestand Schönwetter / Landesarchiv des Kantons Glarus
Filmbestand Schweizerischer Metall- und Uhrenarbeiterverband (SMUV) /
Schweizerisches Sozialarchiv
Fernsehbestand Antenne / Schweizer Radio und Fernsehen SRF

 

Fotografien:

Archiv für Agrargeschichte (AfA), Bern
Archivio di Stato del Cantone Ticino, Bellinzona
Bibliothèque cantonale et universitaire de Fribourg
Bundesamt für Landestopografie swisstopo, Wabern
Burgerbibliothek Bern
Fotostiftung Schweiz, Winterthur
Landesarchiv des Kantons Glarus, Glarus
Schweizerische Gesellschaft für Volkskunde, Basel
Schweizerisches Bundesarchiv, Bern
Schweizerisches Nationalmuseum, Zürich
Schweizerisches Sozialarchiv, Zürich
Staatsarchiv des Kantons Bern, Bern
Staatsarchiv Graubünden, Chur

Siehe auch
Mann mit Fliegerkamera
Vitrinen

Der Raum im Fokus

Die Schweizerische Landestopografie setzte fotografische Verfahren seit den 1920er Jahren zur Herstellung von Karten ein. Wesentlich früher, nämlich bereits seit den 1880er Jahren, nutzten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Fotografie zur Dokumentation ihrer Arbeit.
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Vitrinen

Der Ungarn-Aufstand 1956 und die Schweiz

1956 versuchten sich die Ungarinnen und Ungarn aus der sowjetischen Herrschaft zu lösen. Die Schweiz solidarisierte sich mit ihnen und half den Geflüchteten.
Die «Schweizer Filmwochenschau» dokumentierte − aber nicht alles.