Zur Kathastrophe im Rickentunnel - Die Beisetzung der Opfer in Rapperswil

Anlass

"Im Rickentunnel ist gestern mittag ein Güterzug stecken geblieben. Die gesamte Begleitmannschaft, 6 Mann, ist durch Rauchgase vergiftet und getötet worden. Von Wattwil aus ist ein Hilfszug mit 7 Mann in den Tunnel abgegangen, von ihnen sind drei ein Opfer ihrer Berufs- und Menschenpflicht geworden. Gegen Mitternacht brachte der Zug die furchtbare Last nach Rapperswil. Der Rickentunnel hat neun Opfer gefordert. (...)
Die Opfer.
Das gesamte Begleitpersonal des Zuges ist tot. Es sind dies: Jakob Kläusli, Lokomotivführer, geboren 1882, verheiratet und Vater von drei Söhnen, Rapperswil; Josef Zehnder, Kondukteur, geboren 1898, verheiratet und Vater von einem Kind, Rapperswil; Brunner, Kondukteur, Ebnat; Meier, Zugführer, Ebnat; Karl Küng, Bremser, geboren 1894, Vater von einem Kind, Rapperswil, sowie der nach Wattwil verbrachte Frommer Walter, Lokomotivheizer, geboren 1898, verheiratet." (Die Linth, 5.10.1926)

"Die Bestattung der Opfer in Rapperswil.
Ueber der Rosenstadt leuchtete eine milde Herbstsonne. Es war, als ob sie das tiefe Leid, das im Städtchen eingezogen war, verklären wollte. Im Feuerwehrhaus lagen die Toten aufgebahrt, in friedlicher Ruhe schlummerten sie den Schlaf, aus dem es kein irdisch Erwachen gibt, Blumen schmückten die Särge. Es war ein Kommen und Gehen von Leuten, die den Opfern ihrer Pflichterfüllung den letzten Gruss entbieten wollten. Und sie beugten sich tief vor der Majestät des Todes. Und als es Mittag vorbei war, da hoben die Glocken beider Kirchen das gewaltige Lied zu singen an, das tief an die Herzen greifen muss. Eine feierliche ernste Stimmung lag über der ganzen Landschaft. Und von dem Feuerwehrarsenal bewegte sich ein endlos langer Zug durch die Strassen, dem Friedhof entgegen. Ernste Männergesichter, die Berufsgenossen in Uniform, die blumenbeladenen Wagen mit den Särgen, die Angehörigen, die Vertreter der Behörden und die Bevölkerung von Rapperswil. Ein ergreifendes Bild: dieser gewaltige, ernste Leichenzug, dieser letzte Gang. Und die stille Stätte des Friedhofs füllte sich mit Leben, mit dem Leben, das den Tod grüssen wollte. Der Gottesacker vermochte die gewaltige Trauergemeinde nicht zu fassen. Weit über zweitausend Personen zählte das Totengeleite und Ungezählte standen Spalier. Auf dem Friedhof, unter freiem Himmel, fand die Abdankung statt. Mit dem Vortrag des Liedes, „Stumm schläft der Sänger“ eröffnete der Arbeitermännerchor Rapperswil in eindrucksvoller Weise die Trauerfeier. In einer tiefgreifenden Ansprache zeichnete Herr Pfarrer Hans Frick die erschütternde Tragik dieses Tages. (...) Dann brachte der Männerchor Rapperswil die wuchtige Komposition von Max Bruch „Media Vita“ zum Vortrag, die so recht die Stimmung der Trauerversammlung zu treffen vermochte:
Ach, unser Leben ist nur halbes Leben,
Des Todes Boten ständig uns umschweben,
Wen möchten wir als Helfer uns erfleh‘n,
Als dich, den Rächer der Vergeh‘n.
Und mit packender Gewalt drang es zum Himmel:
Verlass uns nicht, wenn Unkraft uns befallen,
Wenn unser Mut entflieht, sei Stab uns allen!
Im Namen der Geschäftsleitung des Schweizerischen Eisenbahnerverbandes entbot Herr Viktor Lang den Kameraden den letzten Abschiedsgruss. (...) Noch ein Lied des Arbeitermännerchors, und die gewaltige Trauergemeinde löste sich still auf. Darin waren neben dem Gemeinderat Rapperswil, den Bezirksbehörden und den verschiedenen Organisationen auch die Bahnbehörden vertreten. Der Friedhof wurde wieder Garten der Toten. Draussen pulste das Leben weiter. Unter einem Berg von Blumen aber schlafen unter den frisch aufgeworfenen Erdhügeln die Opfer der Pflicht. Und ihr Opfertod war nicht umsonst. Denn am Abend noch wurde bekannt, dass gleichen Tags in der Bundesversammlung die sofortige Elektrifikation der Rickenlinie zugesagt wurde." (Die Linth, 8.10.1926)

Quellen zum Anlass:
Der Freisinnige, 5.10.1926 (Katastrophen-Bericht)
Die Linth, 5.10.1926 (Katastrophen-Bericht: Sonderausgabe)
Die Linth, 6.10.1926 (Katastrophen-Bericht)
Die Linth, 8.10.1926 (Bestattungsbericht)